Neil Young in Köln
(mit Harvest Moon für unsere Liza)
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Es ist Freitag, der 19.Juni 2009. Neil Young kommt nach Köln. Open Air im Tanzbrunnen. Früher hat Neil seine Fans immer 3, 4, 5 oder gar 6 Jahre warten lassen, bis er mal wieder Europa besuchte. Doch nun kommt er bereits zum dritten mal nach Old Europe innerhalb von anderthalb Jahren.
3 fantastische Deutschland-Konzerte lagen in den letzten Tagen bereits hinter ihm. Erfurt, Berlin und München hatten somit schon ihre Freude. Nun ist Köln dran. Doch wenige Stunden vorher kam die böse Meldung. Neil macht Theater mit den Veranstaltern. Er will vielleicht nicht auftreten. Aber der Reihe nach. |
Meine Frau Simone und ich machten uns um 14 Uhr nach Köln auf. Auf Höhe Remscheid fällt prasselnder Regen nieder. Oh je. Und die Wetterprognosen waren auch nicht gerade rosig. Schauer waren angesagt. Doch das Wetter hielt. Es blieb sogar sonnig. Es wurde ein leicht lauschiger Abend in den Kölner Rheinwiesen.
Nach dem obligatorischen Stau am Leverkusener Kreuz fuhren wir gegen 15.15 Uhr am Tanzbrunnen vor. Aber warum ist denn das Parkhaus am Tanzbrunnen gesperrt? Folglich müssen wir uns woanders einen Platz suchen. Schau, da sind doch Nobby und Inge. Kurz gehupt, angehalten, freudig begrüßt und ihre Freunde Christiane und meinen Namensvetter Jürgen kennen gelernt. "Wir haben in der Seitenstraße geparkt. Da ist noch was frei." Stimmt. Wir konnten einen sogar kostenlosen Parkplatz am Straßenrand einnehmen.
Nach der Vereinigung mit den Vieren aus dem Raum Bielefeld haben wir uns zum geplanten Treffpunkt ins "La Cantina" aufgemacht. Constanze saß schon da. Albert und Julian aus Hülchrath, sowie Iris, Mario und ihre 2 Kids kamen unmittelbar darauf an. Die mexikanische Kneipe war schlecht besucht. Von ca. 40 Tischen im Biergarten vor dem Haus waren nur 3 belegt. Dennoch hat uns die unfreundliche Kellnerin angeeckt. Wenn wir bis zu 30 Personen werden würden, könnten wir hier draußen nicht sitzen bleiben. Dann würden wir ihr Geschäft kaputt machen. "Welches Geschäft?", fragten wir uns. Schließlich gab sie uns neben dem Haus einen mit Plane überdachten Bereich. Wir hätten sicherlich mehr getrunken, wenn nur der Kellner nicht so fürchterlich langsam gewesen wäre.
Und dann bekam Albert die böse Meldung. Neil will vielleicht nicht auftreten. Er mache mit den Veranstaltern schwer Theater. Er dachte, dies sei ein Hallenkonzert. Denn seine Lichtshow wirkt doch nur im Dunkeln. Später sind noch Frank aus Hanau sowie Sabine mit 4 Leuten im Schlepptau eingetroffen. Gegen 17 Uhr machten wir uns zum Tanzbrunnen auf. Unterwegs trafen wir einen Plakate-Anbringer. "He, hast Du noch ein Neil-Plakat für unser übrig?" "Ja, 2 brauche ich noch selbst. Die anderen könnt ihr mitnehmen." 5 Stück hatte er noch. Folglich gingen 3 in unseren Besitz über. 1 für Nobby und Inge, 1 für Jürgen und Christiane und eines für uns, Simone und Jürgen. Nachdem die Plakate schnell im Auto verstaut wurden, kam es am Tanzbrunnen zur Begrüßung mit dem ersten deutschen Neil Young Fan-Club um Hansi und Hannes.
Um 19 Uhr begann Wolfgang Michels und Band mit seinem 30 minütigen Vorprogramm. Ganz ordentliche Deutsch-Rock-Musik. Sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Aber als musikalischer Aperitif gut geeignet. In den 80ern hat er mit Rio Reiser zusammen gearbeitet und vorher in den 70ern seine Alben in Kalifornien aufgenommen, wo er Neil Young kennen lernte. Über diese Verbindung ist er dieses Jahr zu Neils Vorgruppe bei den Deutschland-Konzerten geworden. Andere Geheimnisse um Neil erfuhren wir von Wolfgang Michels persönlich um Mitternacht im "La Cantina".
Während seines Auftritts trudelten Liza und ihr Taxi-Tross aus Kaiserslautern um unseren zweiten Albert ein. Was haben wir uns alle gefreut, dass Liza kam. Nach Michels Auftritt versuchte unser Hülchrather Albert seine schon vorher angeleierten Backstage-Verbindungen spielen zu lassen und unsere LincVolt-Jacken-Gewinnerin Liza hinter die Bühne zu bringen. Doch leider hat der Versuch nicht geklappt. Die Securities durften sie nicht hineinlassen. Schade.
Neil Young begann um 20.05 Uhr. Krachend, schräbelnd, die Anlage fürchterlich übersteuert, aber das war volle Absicht. "Hey Hey, My My (Into The Black)". Langsamer als sonst. Der Lärm war im Magen zu spüren. Großartig. Chad Cromwell am Schlagzeug, Rick Rosas am Bass und Ben Keith an der zweiten E-Gitarre. Und wir sahen, wie Neil sein Ich-will-im-Dunkeln-spielen-Problem löste. Er trug eine dunkle Sonnenbrille.
Rhythmisch-rockig ging es weiter. "Mansion On The Hill". Anthony Crawford und Pegi Young, ganz sexy im knatsch-grünen Minirock, kamen an die Background-Mikrophone. Die Electric Band war quasi komplett. Nur Larry Cragg durfte leider, wie sich später zeigen sollte, sein Banjo nicht auspacken. Er fungierte heute nur als Gitarren-Roadie, nicht als Musiker. Und Albert vom Schloss tauschte noch Victory-Zeichen mit seinem E-Mail-Freund Anthony Crawford aus. "Are You Ready For The Country?" mit Neil am Piano folgte. Zurück an seiner Old Black spielten sie anschließend den Klassiker "Everybody Knows This Is Nowhere".
Doch was dann kam, war unbeschreiblich. Es berstete, es schräbelte, es lärmte. Als sich dieser Ton in eine überdrehte Musik verwandelte, kam einem das Thema plötzlich bekannt vor. Konnte das wirklich sein? "Pocahontas". Was für ein Arrangement. Diese Version war alleine seinen Eintrittspreis wert. Jetzt wurde für einen Song die Gretsch ausgepackt. Alle wussten, was kommen sollte. "Words (Between The Lines Of Age)". Erstklassige Version. Wie letztes Jahr in Oberhausen. Mit "Cinnamon Girl" endete der erste elektrische Teil. Nur das Ende dieser Version war anders. Länger. Improvisierter. Stärker.
Nun suchten wir alle Neil. Wo war er denn hin? Ach da oben an seiner Pump-Orgel. Es folgte das bezaubernd schöne "Mother Earth". Jetzt an der Akustik-Gitarre spielte und sang er uns solo "Don´t Let It Bring You Down" vor. Nur solo war das eigentlich nicht. 9000 Zuschauer sangen wunderbar mit. Es kam Gänsehaut-Feeling auf. Mit dem nächsten Lied, dass er akustisch mit kompletter Bandbesetzung zelebrierte, hatte ich das Gefühl, er wolle einen Song für die Human-Highway-Mailing-Listen singen. Denn "Goin´ Back" wird in seinem Human-Highway-Film verwendet. Ich erinnere mich, an die brennenden Holz-Indianer-Statuen in dieser Traum-Sequenz des Movies. Sein Indianer stand wie immer mit auf der Bühne. Diesmal auf der linken Seite. Auch ein Maler war erneut dabei. Seine abstrakten Kunstwerke waren im Hintergrund zu sehen.
Jetzt folgte wieder ein Höhepunkt. Eine elektrische "On The Way Home" Version mit Neil am Piano. Das tolle Arrangement begeisterte das Publikum. Dann hängte er sich wieder die Akustikgitarre über und zog mit den anderen, vor allem mit einem fantastischen Ben Keith an der Pedal Steel Gitarre, in eine Country-Music-Phase ein. "Unknown Legend" war romantisch schön. 9000 Stimmen waren wieder zu hören. Bei "Comes A Time" spielte diesmal nur Anthony Crawford eine zweite Akustikgitarre. Bei seiner Prairie-Wind-Tour, die auch im Konzertfilm "Heart Of Gold" dokumentiert ist, waren einst noch etwa ein dutzend Gitarristen auf der Bühne. Dennoch war die jetzige Version einfach nur schön.
Anschließend formierte sich die Band wieder zu einem anderen Stück. Doch kurzerhand schmiss er alle wieder von der Bühne und trat ans Mikrophon und sprach auf englisch. "Da draußen ist heute abend eine junge Frau, wir haben im Internet gelesen, was passiert ist......(kleine Pause)..... Dieser eine ist für dich. Ich hoffe, wir werden es nicht vermasseln." Es folgte Lizas Musikwunsch "Harvest Moon". Liza hat kürzlich erst Neil Youngs "Johnny Magic"-Video-Contest gewonnen und kurz darauf unerwartet ihren geliebten Ehemann Michael verloren. Viele von uns hatten bei dem Song Tränen in den Augen. Der Song des Abends. Ohne Zweifel.
Krachend-elektrisch ging es weiter. Mit der Geschichte wie er sein Mädchen erschießt. "Down By The River". So emotional habe ich den Song noch nie gespürt. Mit jedem Ton war mir die Ermordung der glücklicherweise nur fiktiven Figur vor Augen. Schloss man die Augen wirkte die Musik wie ein Soundtrack zu traumatischen Bildern. Das fröhliche "Get Behind The Wheel", dem einzigen Song aus seinem neuen Album "Fork In The Road", folgte.
Schließlich lärmten er und seine Electric Band wieder, was das Zeug hielt. Mit Feedbacks und Verzerrungen zeigte der jugendlich wirkende 63-jährige Neil Young seine Kraft. Das nicht enden wollende "Rockin´ In The Free World". Dreimal hatte er die Schlussakkorde gespielt. Doch immer wieder setzte er neu mit "Keep on rockin´ in the free world" an. Das Publikum tobte. Die Band verschwand von der Bühne. Die Fans forderten aber mehr. Er kam zurück und grölte, wie schon im Vorjahr, den Beatles-Klassiker "A Day In The Life" hinaus. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Seine kleine Lichtshow wirkte. Am Ende zerbarsten alle seine Seiten. An ein Weiterspielen war nicht zu denken. Es war 22.05 Uhr. 2 Stunden lagen hinter uns. 2 Stunden, die wir immer im Gedächtnis behalten werden.
Vor der Bühne trafen wir uns von der deutschen Human-Highway-Mailing-List wieder. Falko alias Treumie war dort. Es war schön einen unserer Hauptarchivaren persönlich kennen zu lernen. Es war nur sehr schade, dass er nicht mehr mit uns den Abend im "La Cantina" ausklingen lassen konnte. Zunächst habe ich mir noch ein obligatorisches Tour-T-Shirt mit einem LincVolt vorne drauf gekauft. Dann ging es wieder in die mexikanische Kantine.
Die folgenden 2 Stunden waren ein weiterer Höhepunkt des Abends. Wir saßen mit über 20 Leuten an den Tischen im Biergarten und sangen. Frank aus Hanau hatte seine Gitarre geholt. Er, Nobby und unser Wolfgang Keune, den ich auch gestern persönlich zum ersten Mal traf, stimmten uns abwechselnd mit Neil-Musik ein. Es war herrlich. Neben den drei Sangeskünstlern waren noch Inge, Christiane, Jürgen, Albert I, Julian, Simone, Liza, Constanze, Iris, Mario und ihre Kids, Uwe aus Regensburg(?) und sein Kumpel Gerd(?) und zum Teil auch Albert II mit Anke und Georg sowie der Fan-Club um Hansi und Hannes dabei. Und noch jemand dessen Namen ich leider nicht weiss. Drumherum standen immer mehr Neil- und einfach nur Musikfans, die den Klängen lauschten.
Gegen Mitternacht gesellte sich plötzlich der Vorband-Musiker Wolfgang Michels zu uns, der im Hotel nebenan wohnte. Er verriet uns ein paar Insider-Eigenheiten über seinen alten Bekannten Neil Young. Nur das mit dem Bier hat wieder nicht geklappt. Wenn man fast 2 Stunden in einem Biergarten sitzt und in dieser Zeit nur einmal bedient wird, kann ein Wirt nur Pleite gehen.
Um viertel nach zwölf mussten wir leider fahren. Ein schöner und ereignisreicher Tag ging zu Ende.
Schwerti
Setliste Tanzbrunnen, Köln, Germany 19.06.2009
Neil Young & His Electric Band
01. Hey Hey, My My (Into The Black) (electric guitar)
02. Mansion On The Hill (electric guitar)
03. Are You Ready For The Country? (piano)
04. Everybody Knows This Is Nowhere (electric guitar)
05. Pocahontas (electric guitar)
06. Words (electric guitar)
07. Cinnamon Girl (electric guitar)
08. Mother Earth (pump organ)
09. Don't Let It Bring You Down (acoustic guitar - solo)
10. Goin' Back (acoustic guitar)
11. On The Way Home (piano)
12. Unknown Legend (acoustic guitar)
13. Comes A Time (acoustic guitar)
>>> 14. Harvest Moon (acoustic guitar)
15. Down By The River (electric guitar)
16. Get Behind The Wheel (electric guitar)
17. Rockin' In The Free World (electric guitar)
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18. A Day In The Life (electric guitar)